Wenn dein Chef dich um eine Lohnkürzung bittet

Friendly ist das erste Open Startup der Schweiz. Nicht nur unsere Umsätze sind öffentlich, sondern auch alle Ausgaben inklusive Löhnen und sogar unsere Arbeitsverträge.

Unsere monatlichen Reports bestehen vor allem aus Zahlen. Wieviel haben wir eingenommen, wofür haben wir das Geld unserer Kundinnen ausgegeben, wie viele Besuche hatte unsere Website…

Allerdings besteht eine Reise aus mehr als Zahlen. Sondern aus Erfahrungen, Fragen, Glücksmomenten und Enttäuschungen.

Wie Du vielleicht schon weisst, wollen wir keine Investoren. Wir gehen den Weg des «Bootstrappings», also des Wachsens aus eigener Kraft. Statt grösser werden wir lieber besser.

Aber sind wir wirklich «bootstrapped», wenn wir nach fast drei Jahren immer noch Verluste machen und unser Gründer Stefan die Löcher mit seinem eigenen Geld stopfen muss? Wie lange geht das gut, vor allem in Zeiten drohender Rezession?

Es gibt viele Möglichkeiten, Geld zu sparen. Du kannst etwa das Marketing reduzieren. Damit schiesst du dir allerdings selber ins Knie. Wenn alle beim Marketing sparen, solltest du in die Vollen gehen. Es wird effektiver sein als je zuvor.

Bei den Kosten für unsere IT und die Administration haben wir kaum Spielraum. Da gibt es im Moment nichts, was wir weglassen können.

Bleiben noch die Löhne.

Es hat Jahre gedauert, dieses Team aufzubauen, und jede und jeder Einzelne trägt zum Erfolg bei. Entlassungen wollen wir auf jeden Fall vermeiden.

Was bleibt dann?

Die Lösung folgte in einem Einzelgespräch. Stefan sagte, dass wir noch nicht in einer kritischen Lage seien, aber in eine kommen könnten, wenn wir jetzt nicht handelten. Noch könnten wir aus einer Position der Stärke agieren.

Dann fragte Stefan mich, ob ich mir vorstellen könnte, für eine begrenzte Zeit auf einen Teil meines Lohns zu verzichten.

Als Arbeitnehmer ist es eine seltsame Situation, wenn dein Chef dich fragt, ob du deinen eigenen Lohn kürzen kannst. Vor allem, wenn er sagt: «Jede Zahl ist in Ordnung. Du weisst am besten, wie viel du unbedingt brauchst».

Wie würdest du reagieren?

Für viele mag das schwierig sein, mir fiel die Entscheidung hingegen leicht: Ich als Angestellter weiss, wie viel wir tatsächlich verdienen. Ich weiss, wie hoch unsere Kosten sind. Ich kenne den Lohn meines Chefs (Spoiler Alert: bis heute CHF 0). Hast du diese Informationen auch an deinem Arbeitsplatz?

Ich habe meinen eigenen Lohn von bislang 5 500 USD auf 5 000 USD im November und 4 500 USD ab Dezember gekürzt (ich lebe in Ungarn, daher hatten wir den Lohn seinerzeit in USD vereinbart).

Eine Lohnkürzung ist kein gutes Gefühl und kann den Glauben an den Erfolg schwächen. Es kann sich wie ein Rückschritt oder vielleicht sogar wie der Anfang vom Ende anfühlen.

Aber mir liegen alle Daten vor und ich weiss, was wir drauf haben und dass unsere Produkte zukunftsträchtig sind. Daher bin ich sicher, dass diese Situation nur vorübergehend ist und wir sie gemeinsam meistern können.

Update November 2023: Im November 2023 ist es uns gelungen, Joeys Lohnkürzung wieder vollständig rückgängig zu machen. Mehr darüber in unserem Open Startup Report November 2023.


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